Polen

Polen
1. In Polen haben die Klöster ihre Weide.Klosterspiegel, 38, 8.
2. In Polen hängt man immer einen Juden und einen Esel zusammen.
3. In Polen ist nicht viel zu holen.Tendlau, 963; Frischbier2, 2967.
In Polen ist gewiss auch jetzt noch sehr viel zu holen, denn es ist ein reiches Land, mit dessen Producten seine Bewohner aber wenig anzufangen wissen. Ein alter lateinischer Spruch sagt von ihm: Polen ist der Himmel der Edelleute, das Paradies der Juden, das Fegefeuer der Bürger und die Hölle der Bauern, die Goldgrube der Fremden und der Grund des Frauenaufwandes. Reich an Wolle ist's doch ohne Tuch; säet Lein im Ueberfluss und holt Leinwand aus der Fremde, liebt alle ausländischen Waaren und schätzt die daheim gefertigten gering, rühmt sich theuern Kaufs und verachtet alles, was billig ist. Die Polen fügen hinzu: In unserm Kron- Polen gibt es durch Gottes Gnade Korn zu Brot, Lein zu Leinwand, Schafe zu Tuch, überall Pferde genug und Erze zu Waffen. Oder:
Nirgends in Polen fehlt es an Eisen zur Wehre, an Reitern für die Pferde, an Korn, Lein und Weizen wie an vollen Kellern. Wenn die polnischen Zustände viel zu wünschen lassen, so geben die Polen in einem ihrer Sprichwörter selbst als Grund dazu an: Der Ueberfluss in Polen richtet das Land zu Grunde. Und in einem andern theilen sie uns mit, wie sie den Reichthum des Landes verwenden, indem sie sagen: Was der Pole an einem Tage vertrinkt, macht oft den ganzen Reichthum des Deutschen aus. (Co Polak wypije na dzień, Niemen majątek stanowi.) (Wurzbach I, 99, 29.)
Holl.: In Polen is niet veel te halen. (Harrebomée, II, 191b.)
4. In Polen ist nichts zu holen als dürre Backen und zerrissene Jacken.Klix, 58.
5. In Polen ist nichts zu holen, und in Preussen werden sie dir was sch .....n.Frischbier2, 2968.
6. In Polen wird's nicht besser werden, ehe es nicht recht schlecht geht.Reinsberg VI, 56.
Wenn der Satz Wahrheit enthält, dann muss die Periode des Besserwerdens in Polen ehestens beginnen, falls sie nicht schon begonnen hat.
7. Pohlen ist der Bauern Hölle, der Juden1 Paradeiss, der Bürger Fege Feuer, der Edel Leute Himmel und der Frembdlingen2 Geld Grube.Berckenmeyer, 363; Eiselein, 514; Braun, I, 3341; Simrock, 7963; Reinsberg V, 16.
1) In einer ältern Zeitschrift stand dafür: Läuse. Das folgende polnische Sprichwort scheint dafür zu sprechen, dass es eine solche Lesart gegeben hat: Wenn die Frau Muhme Läuse hätte, so wäre sie der Herr Vetter. (Reinsberg IV, 6.) Sie scheinen auch zur guten Gesellschaft gehört zu haben.
2) Klosterspiegel (38, 7) hat dafür: Mönchsleute.
8. Polen bat drei Statthalter: einen auf Reisen, einen in Warschau und einen auf Reisen.
So sagte der Volkswitz im Jahre 1861, als (der Statthalter) Graf Lambert von Warschau abgereist war, der Kriegsminister Suchopanet inzwischen als Statthalter fungirte, und der General Lüders als neuer Statthalter von Petersburg aus sich unterwegs befand.
9. Polen hat ein Ministerium mit vier Ohne: einen Aufklärungsminister ohne Schulen, einen Cultusminister ohne Kirchen, einen Justiz-
minister ohne Rechtspflege und einen Schatzminister ohne Finanzen.
So charakterisirte der polnische Volkswitz im Jahre 1861 sein Ministerium, zu der Zeit, als den Generalen der Citadelle die Rechtspflege übertragen war. Die Volksschulen fehlten, die Kirchen waren infolge von Militärgewalt geschlossen.
10. Polen ist katholisch.
Das bezeichnende Sprichwort: Polska katolicka, das im Munde des Adels gäng und gebe ist, wird bei jeder Gelegenheit hervorgehoben. Die innige Verbindung des Polonismus mit dem Ultramontanismus entspricht dem Wesen und der Geschichte Polens. Weiter ausgeführt ist dies in einem Feuilletonartikel der Nationalzeitung (Berlin vom 25. Juni 1870, Nr. 289) unter dem Titel: Adel und Geistlichkeit, Culturskizzen aus Galizien.
11. Polen ist über, und Warschau brennt. Frischbier, 578; Frischbier2, 2970.
Als Antwort auf eine müssige Frage nach Neuigkeiten.
12. Polen kennt sein viertes Regiment.
»Da hilft kein Widerstreben, denn Polen kennt sein viertes Regiment.« (Th. Drobisch, Anek-
dotenjäger, Nordhausen 1863, Hft. 74, S. 131.)
13. Polen steht, wenn's auch drunter und drüber geht.
Wie aber dann ein Gemeinwesen steht, wenn es in einer Weise »drunter und drüber« geht, wie in Polen, namentlich zur Zeit des Wahlreichs, zeigt der jetzige Zustand des Volkes und Landes, der eine Folge jener »polnischen Wirthschaft« ist.
Poln.: Polska nierżądem stoi. (Wurzbach I, 12.)
14. Polen wird durch Verwirrung regiert.
Bezieht sich auf die frühere Verfassung Polens, auf seine stürmischen Reichstage, deren Beschlüsse durch eine einzige Stimme umgestossen werden konnten.
Lat.: Polonia confusione regitur.
*15. Da steht Polen auf.
*16. Dat öss wie ön Pole, wo de ölste Lûs op em Owe sett, e Pîp Toback rôkt on tositt wie Streu gemakt ward.Frischbier, 579; Frischbier2, 2971.
*17. Noch ist Polen nicht verloren.Frischbier, 577; Frischbier2, 2969; Büchmann (6. Aufl.), 226.
Ausspruch der Ermunterung, des Trostes u.s.w. Diese Redensart ist die Uebersetzung des von einem unbekannten Verfasser herrührenden Dombrowski-Marsches: Jeszcze Polska nie zginęta u.s.w. und ist auch für uns Deutsche ein bei Rettung aus Verlegenheit oft angewandtes Wort geworden. Der Marsch wurde zuerst von der polnischen Legion gesungen, welche Dombrowski 1796 unter Bonaparte in Italien sammelte. (Vgl. Ad. Mickiewicz, Vorlesungen über slawische Literatur und Zustände, Leipzig 1843, II, 258, 269 u. 324.)
*18. Nu öss Paln apn on Warschau brennt. Frischbier2, 2972.
Die Redensart soll hier angewandt werden, wenn jemand über einen kleinen Unfall ein grosses Lamento erhebt.
*19. Nun ist Polen offen.Weinhold, 72; Klix, 58.
Als günstiges Zeichen für Hebung des Handels und Verkehrs.
[Zusätze und Ergänzungen]
20. Das martialische Polen, das wachsame Preussen, das witzige Niederland, das reiche Flandern, das niedliche England, das verliebte Frankreich, das herzhafte Schweizerland, das listige Savoyen, das verschmitzte Italien.Beiche, 220a.
21. In Pojlen is alles krümm, nor die Trepp is gleich1. (Jüd.-deutsch. Warschau.)
1) Gerade, hier für steil. Zur Charakteristik der sogenannten polnischen Wirthschaft.
22. In Polen und Litauen sind viel böse Brücken zu schauen.Frischbier, 4212.
Lat.: Pons Lithuanicus et Polonicus nihil valet. (Lepner, 92.)
23. So leicht gibt Polen sich nicht verloren.
24. Wenn Polen und Litauen wird vereinigt werden, will ich mich hängen lassen.Beiche, 235.
So sagte man früher von einer Sache, die von einer Zeit zur andern auf die lange Bank geschoben wurde.
*25. Der Henker Polens.
So wurde General Potapoff, der gewesene Chef der Polizeiabtheilung in Petersburg und Minister des kaiserlichen Hauses, genannt. (Vgl. Nordböhm. Volksblatt, 1876, Nr. 41.)

Deutsches Sprichwörter-Lexikon . 2015.

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